Ich hatte heute eine interessante Unterhaltung, mit einem Menschen, der mir sehr wichtig ist.
Nun, in dieser Diskussion ging es um Gewicht, Körperfett und Muskelmasse. Zugegeben, ich habe mich nie für dieses Thema interessiert, zumal ich bis ich 27 Jahre alt war, immer sehr schlank gewesen bin, zum anderen, weil ich ja nie etwas dafür tun musste, dieses Gewicht zu halten.
Mit anfangs 28 Jahren, nahm ich langsam zu…. dann wieder ab, dann wieder zu. Heute, mit fast 33, wiege ich 10 Kilo mehr als mit 27. An meiner Lebensweise, Ernährung etc. habe ich nichts geändert.
In Zahlen ausgedrückt, war ich damals 57 Kilo, jetzt 67 Kilo. (165cm)
Als ich so schlank war, sagten mir viele, dass ich zu dünn sei, nichts an mir habe, keine Kurven und krank aussehen würde.
Als ich so 62 Kilo war, fanden viele, dass ich jetzt aber gerundet hätte. Ich ging nochmals 5 Kilo hoch und jetzt klingt es schon ganz anders. Ich müsse abnehmen, es sei zu viel, müsse mehr Sport treiben, auf meine Ernährung achten.
Ich hatte viele Gespräche mit Freunden, den Eltern und einigen „potentiellen Partnern“.
Die Freunde sagten mir, dass ich wohl gerundet hätte, aber dass es jetzt schön sei und dass ich endlich eine „Frau“ sei. Meine Eltern waren fifty/fifty….mein Vater interessiert das nicht, meine Mutter sagte mir immer, dass sie es schön fände, dass ich endlich Kurven hätte. Meine potentiellen „Partner“ fanden meine Figur immer sexy und normal.
Natürlich kam der Tag, an dem ich vor meinem Kleiderschrank stand und merkte, Hosengrösse 36 geht nicht mehr…. Es muss 38 her…. Auch die BH’s mussten von 75A auf 85B wechseln. Zuerst nahm ich das gar nicht so wahr, obwohl ich nun sagen muss, dass es eigentlich kein schleichender Prozess war, ich nahm innerhalb von 3 Jahren 10 Kilo zu.
Jedenfalls hiess es, es gelte nicht das Gewicht, sondern der BMI. Der lag bei mir unter 25, also nicht übergewichtig. Zwei Jahre später erfuhr ich, dass der BMI nicht ausschlaggebend sei, sondern die Masse. Ideal sei 80-70-90, für Normalo's….also nahm ich das Massband und habe nachgemessen:
90-84-98….und jetzt war ich am Arsch…..denn überall hiess es: ein Bauchumfang über 80cm sei krankhaft und bedeute Übergewicht. Wenige Monate später sah ich eine Reportage auf arte. Da war ein Wissenschaftler, der sagte, auch wenn sie 100Kilo wiegen, können sie schlank sein, denn Muskelmasse ist schwerer als Körperfett, deshalb sei es ideal, viel Muskelmasse und wenig Körperfett zu haben.
Nun….da sass ich nun….bin ich jetzt übergewichtig oder nicht? Ich war völlig verwirrt. Vor allem für eine Person, die sich nie mit diesen Dingen beschäftigt hat, war das ja eine ziemliche Knacknuss. Zumal da noch die Stimmen waren: die Einen, mit Hosengrösse 42, sagten mir: Spinnst du, du bist immer noch normal!!!! , die Anderen, mit Hosengrösse 34, sagten mir, naja, du bist nicht mollig, hast aber Kurven.
Es sagte noch nie jemand zu mir, dass ich fett bin, auch nicht dick…..ich sei zwischen normal und mollig. Mir ist auch aufgefallen, dass es unter meinen Freunden und in meinem Umfeld kein Thema ist. Niemand in meinem Kreis macht exzessiv Sport, niemand achtet auf die Ernährung. Ausser die besagte wichtige Person, die mich heute liebevoll darum bat, endlich abzunehmen und mehr Sport zu machen, da sonst Diabetes und Adipositas drohen würde.
Ausserdem fand diese Person, dass ich meine Schönheit so sukzessive abgeben würde.
Die Fragen, die ich mir am Schluss dieses Gesprächs stellte, waren: Sind dies Sorgen, die man sich einfach macht, oder möchte man nicht als Einzige im Boot des Körperkults sitzen? Braucht man einen
Mitstreiter? Braucht man einen Gegner oder Konkurrenz? Muss man jeden Hype mit Bootcamp und Spinning mitmachen? Ist man heute fehl am Platz, wenn man keinen Sport treibt? Ist man verloren, wenn man nicht auf die Ernährung achtet?
Natürlich stellen sich auch ethische Fragen…... was will man vom Leben? Möchte man alt werden? Möchte man möglichst lange ohne Rollator laufen können? Will man früh krank werden, oder will man so dem Krebs ausweichen, der vielleicht so oder so kommen wird…..
Ich arbeite in der Pflege und habe einiges gesehen. Grundsätzlich würde ich behaupten, dass meine Intelligenz ausreicht, um gewisse Dinge auch beurteilen zu können.
Selbstverständlich haben wir auch alle einen Spiegel zuhause, manchmal stehe ich davor und denke mir: du krass geiles Vollweib…..und dann stehe ich 2 Tage später davor und denke mir: Naja….5 Kilo weniger wären nett.
Die Befassung mit meinem Körper und meinem Bild davon, hat mich einiges gelehrt, aber eines ist Tatsache: es ist schizophren. Die Wahrnehmung wird immer gestörter. Je mehr man sich damit befasst, umso mehr verzerren wir das Bild der Wahrheit.
Deshalb ist bei Essgestörten die Nebendiagnose in 85% Schizophrenie. Letztens spazierte ich mit meiner besten Freundin der Aare entlang und uns kam eine Frau entgegen, die sehr wohlgenährt war… als wir einige Meter entfernt waren, sagte ich zu meiner Freundin: Schau, in etwa bin ich von der Figur her wie sie…. Meine beste Freundin blieb stehen und hatte kurz Schnappatmung….Sie fragte mich: Du siehst dich also so? Ich antwortete: Ja.
Meine Kollegin war dann in Schockstarre. Sie erklärte mir, dass diese Frau ganz sicher mehr als 85kg hätte. Da dämmerte es mir: ich bin auch schon soweit. Durch einige Aussagen von Personen, sehe ich meinen Körper schon verzerrt. Das ist übrigens der Grund, weshalb genau diese Frauen, ein niedriges Selbstwertgefühl haben. Nicht weil sie dick wären, sondern es ihnen suggeriert wird. Daraufhin ging ich nach Hause, und schmiss meine Waage in den Müll. Seit diesem Tag achte ich auf nichts. Gar nichts. Komischerweise werden jetzt plötzlich meine Hosen locker, den BH muss ich enger machen. Suggestion ist die gefährlichste Waffe der Welt. Frauen, die keine Kinder kriegen können, suggerieren sich jeden Tag: Aber ich will, ich will Kinder, es muss doch klappen…..jahrelang geschieht nichts. Wenn sie sich entscheiden, ohne Kinder zu leben, sind sie plötzlich schwanger. Wenn ich jemandem genug lange suggeriere, dass seine Verhaltensweise komisch wirkt, wird es derjenige bald glauben. So funktioniert die gesamte Welt. Nicht die Atombomben sind unser Problem, sondern einflussreiche Menschen und die Medien, die uns nur lange genug etwas suggerieren müssen, bis wir es glauben.
Somit wären wir beim Punkt. Es gibt so viele Menschen, die sich beeinflussen lassen, von Werbung und Medien, die die zweite Kim Kardashian oder Heidi Klum sein möchten. Wisst ihr, wie viel Suizidversuche es in allen Staffeln von Germany’s next Topmodel gab? Es gab 7. Dass diese Hollywood Schönheiten und Promis alle operiert sind, jeden Tag Sport machen müssen, Personal-Trainer haben, das Essen vom Personal gekocht wird, das sieht niemand. Dass die Normalbevölkerung kein Geld für diese Dinge hat, ist selbsterklärend.
Ich sage nicht, dass es nicht gut ist, jemandem liebevoll bei zu bringen, dass er/sie ein wenig zugelegt hat, aber verurteilen, beurteilen und ein Sportprogramm zu schicken, finde ich ein Eingriff in die Intimsphäre, die niemanden etwas angeht. Ausser die Person bittet ausdrücklich um Hilfe.
Auch hier eine Message an alle Möchtegern- Topmodels: Essen ist gesund. Exzessiver Sport kann zu schweren Mangelerscheinungen und Mineralstoffverlust führen. Alle Sportler sind grundsätzlich dehydriert.
Das Zauberwort lautet: MODERAT. Man muss nicht 4 Tage die Woche Sport machen, man muss auch nicht low-carb oder low-fat leben…. Von allem ein wenig, und man bleibt lange gesund.
Ich kenne 3 Sportler, die professionell Sport betreiben, immer, wenn ich sie sehe, frage ich mich, ob sie die Grippe haben… ausgedörrt und bleich, sitzen nach dem Sport mit ihrem 200gr. Hüttenkäse da und behaupten, dass dies die Einzige gesunde Lebensweise sei.
Ich empfinde meinen Teller Pasta mit Freunden auf meiner Terrasse als gesunde Lebensweise. Nun, da scheiden sich die Geister.
Sich wohlfühlen und geniessen können, jeder nach seinem Gusto….das wäre die optimale Ausgangslage. Es wird noch lange dauern, bis einige Hypes wieder verschwunden sind.
Aber bis dahin pflege ich euch natürlich gerne im Spital, mit eurem Eisenmangel und dem gebrochenen Fuss vom Trekking im Himalaya.
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